PRESENTATION OUTLINE
"Es gibt etwas, das mir über alles gilt und dem ich alles andere nachsetze, von dessen Behauptung ich mich durch keine mögliche Folge abhalten lasse, für das ich mein ganzes irdisches Wohl, meinen guten Ruf, mein Leben, das ganze Wohl des Weltalls, wenn es damit in Streit kommen könnte, ohne Bedenken aufopfern würde. Ich will es Ehre nennen."
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814)
ARTHUR SCHNITZLER
(* 15. Mai 1862 in Wien; † 21. Oktober 1931 ebenda)
Arthur Schnitzler
- österreichischer Erzähler und Dramatiker jüdischer Abstammung
- bedeutender Vertreter der Wiener Moderne
- Kritiker der österreichisch-ungarischen K.u.k.-Gesellschaft
- Mediziner und Offiziersrang als Oberarzt
- Werke: Fräulein Else, Anatol, ...
Leutnant Gustl: Das Werk
- erschien 1900 als Vorabdruck in einer renommierten Zeitung Wiens
- 1901 in Buchform
- stieß in Militärkreisen auf Protest
- kostete Schnitzler den Offiziersrang
- erster Text in deutschsprachiger Literatur mit durchgängigem inneren Monolog
Leutnant Gustl: Inhalt
- Der Leutnant Gustl sitzt gelangweilt in einem Oratorium Konzert (vgl. Z.1-166)
- statt dem Konzert zu folgen beschäftigt er sich mit seinen Gedanken (vgl. Z.1-166)
- dabei erfahren wir, dass er am nächsten Morgen ein Duell mit einem Doktor der Rechtswissenschaften hat (vgl. Z. 24-28, 94-147)
Leutnant Gustl: Inhalt II
- Nachdem das Konzert zu Ende ist, gerät Gustl, in der Garderobe, in eine Konfrontation mit dem Bäckermeister Habetswallner (vgl. Z. 190-225)
- Überwältigt von der Drohung des Bäckermeisters seinen Säbel zu zerbrechen, lässt er ihn ohne Reaktion passieren (vgl. Z. 215-249)
Leutnant Gustl: Inhalt III
- Getrieben von seinen Gedanken und seiner Furcht durch die Aktion sein Ansehen und seine Karriere zu verlieren, wandert er ziellos durch die Straßen Wiens (vgl. Z. 250-313)
- Folglich nimmt sich Leutnant Gustl vor, Selbstmord zu begehen (vgl. Z. 286-307)
Sprache
- Umgangssprache mit österreichischem Dialekt ("Das Nasenspitzel hau' ich Ihnen herunter..." (Z. 27f))
- Militärsprache ("...sonst stell' ich Sie mir nachher im Foyer!" (Z. 42))
Sprache II
- Ellipsen und Parataxen ("Ah, lieber gleich eine Kugel vor den Kopf, als so was!... Wär' so das Gescheiteste!... Das Gescheiteste? Das Gescheiteste? – Gibt ja überhaupt nichts anderes... gibt nichts anderes..." (Z. 286ff))
- zeigen die Zerrissenheit der Gedanken und die Betroffenheit Gustls
Leutnant Gustl: Die Figur
- Offizier der kaiserlich und königlichen Armee (k.u.k. Armee)
- jung (nach Originalfassung 23-24 Jahre)
- Ansehen und Ehre bestimmen sein Leben ("Ich muß auf die Uhr schauen... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert." (Z. 1f))
Leutnant Gustl: Die Figur II
- Frauenheld ("Ah, die ist aber bildschön! Ganz allein? Wie sie mich anlacht. Das wär' eine Idee, der geh' ich nach!..." (Z. 178f))
- antisemitische Züge ("O, die Nase! – Jüdin... Es ist doch fabelhaft, da sind auch die Hälfte Juden... nicht einmal ein Oratorium kann man mehr in Ruhe genießen..." (Z. 169ff))
Leutnant Gustl: DIe Figur III
- ungestüm ("...und dann war einer da, der hat die Sache gütlich beilegen wollen, ein älterer Herr mit einem Stockschnupfen... Aber ich war zu wütend!" (Z. 133f))
- fühlt sich schnell angegriffen ("Der Doktor hat das absolut in dem Ton gesagt, als wenn er direkt mich gemeint hätt" (Z. 134f))
Leutnant Gustl: DIe Figur IV
- herablassend, unsozial ("Blödist" (Z. 186), "Und da kommt so ein Tintenfisch daher..." (Z. 144))
- Minderwertigkeitskomplexe ("Er hätt' nur noch sagen müssen, daß sie mich aus dem Gymnasium hinausg'schmissen haben und daß ich deswegen in die Kadettenschul' gesteckt worden bin..." (Z. 135ff))
Motiv: Ehre
- Leben Gustls auf Ehre und Ansehen in der Gesellschaft ausgerichtet
- Ehre durch die k.u.k.-Gesellschaft definiert (Standesehre/Ehrenkodex)
MOTIV: DUELLE als Wiederherstellung der Ehre
Motiv: Angst
- Angst durchschaut zu werden ("Was guckt mich denn der Kerl dort immer an? Mir scheint, der merkt, daß ich mich langweil' und nicht herg'hör'..." (Z. 40f))
- Angst die Ehre und das Ansehen zu verlieren ("...der zieht wirklich den Säbel heraus ...Um Gottes willen, nur kein' Skandal" (Z. 221f))
Motiv: Tod
- Tod durch Duell ("...übermorgen bin ich vielleicht schon eine tote Leiche!" (Z. 25f))
- Selbstmord bei Unfähigkeit die Ehre wiederherzustellen ("Ich weiß, daß ich satisfaktionsunfähig hin, und darum muß ich mich totschießen..." (Z. 301))
Stil
- hauptsächlich innerer Monolog (Bewusstseinsstrom)
- geringer Teil direkte Rede (bsp. Szene vom Konflikt mit dem Bäckermeister (vgl. Z. 188-225))
- reflektierendes, erlebendes Ich (=Leutnant Gustl)
Funktion: Innerer Monolog
- gibt tiefe Einblicke in innere Konflikte
- gewährt Zugang zu Erinnerungen (z.B. biografische Informationen)
- gewährt Einblicke in historische Weltanschauungen
- offenbart die Einstellungen, Werte und Moral Gustls
"Heiliger Himmel, es ist doch ganz egal, ob ein anderer was weiß!... ich weiß es doch, und das ist die Hauptsache! Ich spür', daß ich jetzt wer anderer bin, als vor einer Stunde – Ich weiß, daß ich satisfaktionsunfähig bin, und darum muß ich mich totschießen..."
(Z. 298-301)